Durch die Digitalisierung ändern sich Kaufprozesse und Kaufverhalten grundlegend. Das birgt Chancen: Konsumenten könnten informierter und mündiger werden. Außerdem könnten sie Zeit sparen, wenn Assistenzsysteme aufwendige Such- und Kaufvorgängen übernehmen. Aber werden diese digitalen Helfer allein im Interesse der Kunden agieren? Nicht zwingend. Hier zeichnen sich neue Gefahren der Manipulation ab. Für den Einzelhandel und die Wirtschaft, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine nachhaltige Entwicklung ist es entscheidend, diese Dynamiken frühzeitig in den Blick zu nehmen und aktiv zu gestalten.
Entlang des gesamten Kaufprozesses, der sogenannten „Customer Journey“, lassen sich Umbrüche ausmachen. Assistenzsysteme wie Alexa und neue Logistikverfahren beschleunigen und vereinfachen Kaufprozesse. Konsumenten kommen weniger mit Alternativen in Berührung als beim stationären Handel. Teilweise wird der Kauf sogar ganz automatisiert, wenn „smarte“ Produkte den Nachschub von Vorräten bestellen. Und auch individuell zusammengestellte Abonnements werden immer beliebter. An anderen Stellen werden Konsumenten aktiver, bringen sich ein in das Design personalisierter Produkte, teilen und verkaufen Gegenstände, bewerten sie auf Online-Plattformen oder beteiligen sich sogar an offenen Innovationsprozessen. Durch Transparenz-Apps prüfen sie Produkte auf Qualität oder Schadstoffe, indem sie den Barcode direkt mit dem Smartphone scannen. Konsumenten lernen, mit den neuen Möglichkeiten umzugehen. Doch die Entwicklung ist schnell: Augmented und Mixed Reality-Technologien stehen bereits vor der Tür.
Die Verfügbarkeit von Gütern steigt durch die Digitalisierung drastisch. Konsumenten entwickeln den Wunsch, von diesen Optionen bestmöglichen Gebrauch zu machen. Dazu gehört auch das Ausprobieren neuer Güter und personalisierter Produkte. Doch viele fühlen sich von dem Angebot überfordert. Der Wunsch nach Einfachheit steigt. In diesem Spannungsfeld werden digitale Assistenten attraktiv, Assistenten, die aus dem gewaltigen Angebot eine kleine, handhabbare Auswahl treffen oder sogar selbstständig einkaufen. Hier ergeben sich neue Möglichkeiten der Konsumentenbeeinflussung. Dabei steigen diese Möglichkeiten durch personalisierte Informationen, Botschaften und Preise ohnehin drastisch. Das große Potential von Digitalisierung, die Konsumentensouveränität zu stärken, wird so teilweise unterlaufen. Zwar gibt es auch unabhängige Assistenzsysteme, doch Händler befinden sich in der Pole Position, um den Konsumenten durch die Masse des Angebots zu leiten. Sie können die Konsumassistenz nahtlos und aus einer Hand anbieten. Das ist nicht per se schlecht, lädt aber dazu ein, weniger mit Blick auf den Konsumenten als vielmehr auf den Unternehmensprofit zu beraten.
Der im Internet allgegenwärtige Kampf um Aufmerksamkeit wird sich im Bereich Konsum daher entlang der Frage entscheiden, welcher digitale Konsumassistent den Menschen auf der Customer Journey begleitet und durch die Masse von Gütern und Informationen navigiert. Hier thematisch einzusteigen, ist aus unternehmerischer, politischer und ökologischer Sicht ebenso relevant wie aus sozialphilosophischer.